WordPress-Geschichten: Foundation

Note: Content might be outdated!

Wem gehört WordPress? Wer entscheidet? Wer genehmigt und überwacht die Nutzung der Markennamen WordPress und WordCamp? Im zweiten Beitrag unserer Serie geht es um eine Graue Eminenz in der Community: die WordPress Foundation.

TL;DR

Die Non-Profit-Organisation WordPress Foundation sichert den freien Zugang zur Software WordPress für die Zukunft und überwacht die korrekte  Nutzung der eingetragenen Markenzeichen WordPress und WordCamp. De facto besteht die Foundation aus Matt Mullenweg und ein paar Angestellten der Firma Automattic.

Um die Geschichte der WordPress Foundation verständlich zu erzählen, müssen wir notgedrungen weit ausholen. Schon der erste Satz auf der Website der Foundation stellt den direkten Bezug zu einem verflucht komplexen Thema innerhalb des WordPress-Universums her: der General Public Licence (GPL). Da heisst es wörtlich:

The WordPress Foundation is a charitable organization founded by Matt Mullenweg to further the mission of the WordPress open source project: to democratize publishing through Open Source, GPL software.

WordPress Foundation

Sinn und Zweck der wohltätigen WordPress-Stiftung ist also per definitionem die „Demokratisierung des Publizierens“ durch GPL-lizenzierte Open-Source-Software. Fein. Und wer war diese GPL noch mal genau?

GNU GPL: deins, für immer.

Im Wesentlichen und stark vereinfacht dargestellt – bitte nicht als Rechtsberatung auffassen! – besagt die GPL etwa Folgendes:

  • GPL-lizenzierte Software darf für jedweden Zweck, kommerziell oder nicht, genutzt und weiterverarbeitet werden.
  • GPL-lizenzierte Software darf kostenlos oder kostenpflichtig weitergegeben werden.
  • Der Quellcode einer GPL-lizenzierte Software muss öffentlich zugänglich gemacht werden, sofern die Software nicht rein privat/intern genutzt, sondern z.B. weitervertrieben wird.
  • Jedes aus einer GPL-lizenzierten Software abgeleitete Derivat (Veränderung, Weiterentwicklung) muss, wenn es veröffentlicht oder weitervertrieben wird, ebenfalls unter der GPL stehen.

Ohne zu lügen (wohl aber mit ein paar dicken Fußnoten!) können wir die Bedeutung der GPL für WordPress als Software, aufgrund der GPL-typischen Lizenz-Vererbung an alle Derivate, in einen sehr einfachen, kurzen Satz packen:

WordPress ist deins, für immer.

Schön, oder? 😉

Den Open-Source-Charakter der Software WordPress für die Zukunft zu sichern, stellt also das zentrale Anliegen der WordPress Foundation dar. Gegründet wurde sie allerdings mit einem sehr gegenwartsbezogenen Ziel: dem Schutz der eigetragenen Markenzeichen WordPress und WordCamp vor unberechtigter Nutzung oder gar feindlicher Übernahme.

Markenzeichen? WordPress soll eine geschützte Marke sein? Haben wir nicht gerade festgestellt, die Software gehört uns allen? Ja, die Software schon, aber …

The WortMark: Registrierung der Marke WordPress

WordPress ist seit dem Jahr 2006 nicht nur der Name einer Open-Source-Software, sondern auch ein international eingetragenes Markenzeichen. Als solches unterliegt es nicht dem Urheberrecht bzw. einer Lizenz für Freie Software, sondern dem Markenrecht. Und bei Marken geht es irgendwie immer um Kohle.

Die registrierten Marken eines Unternehmens gehören in aller Regel zum Unternehmenskapital. Wird das Unternehmen aufgekauft, übernimmt der Käufer auch die Kontrolle über die Markenzeichen – einschließlich der Möglichkeit, sie komplett einzudampfen, wenn das den Unternehmenszielen dient.

Beim Deutschen Patent- und Markenamt wurde die Wortmarke WordPress laut Registerauskunft am 29. Mai 2006 angemeldet. Inhaberin ist die WordPress Foundation, 200 Brannan Street #239, San Francisco, CA 94107, USA, vertreten durch eine Hamburger Anwaltskanzlei.

Das war nicht immer so. Das United States Patent and Trademark Office verzeichnet die Registrierung der Marken WordPress und W WordPress (mit dem W-Logo vor dem Namen) durch die Firma Automattic Inc. zum 1. März 2006. (Leider gibt es für die Suchergebnisse beim TESS keine dauerhaften URLs.)

WordPress Markeneintrag beim United States Patent and Trademark Office
WordPress Markeneintrag beim United States Patent and Trademark Office

WordPress® – Eigentum von Automattic?

Wir erinnern uns: Matt Mullenweg hat Automattic im August 2005 gegründet. Zum Zeitpunkt der Markenanmeldung besteht die junge Firma lediglich aus ihrem Gründer und einer Handvoll Verwegener. Allerdings ist seit Januar 2006 Yahoo-Veteran Toni Schneider als CEO mit an Bord, unter dessen Führung Automattic in den kommenden Jahren von der Hacker-Bude zum Global Player aufsteigen wird.

Die Registrierung der Wortmarke WordPress durch Automattic und vor allem die damit einher gehende Praxis, den Gebrauch von Toplevel-Domains mit „wordpress“ zu verbieten und Verstöße gegen die neue Domain Name Policy sukzessive auch zu ahnden, sickert erst nach und nach in die Community durch. Das Verbot soll WordPress vor kommerziellem Missbrauch schützen, doch natürlich sind auch nicht kommerziell orientierte Community-Websites wie WordPress Deutschland betroffen, die ihre Toplevel-Domain schließlich auf wpde.org umstellen.

Schutz oder nicht , dass ein Venture-Capital-gestütztes Unternehmen die Markenrechte am Namen eines Open-Source-Projekts hält, kann niemandem gefallen, der sein Herzblut je in Freie Software gesteckt hat – noch nicht einmal dem Gründer des besagten Unternehmens selbst.

Matt Mullenweg liegt die Zukunft seines „Babys“ als Community-Projekt augenscheinlich so viel mehr am Entwickler-Herzen als alle kommerziellen Interessen, dass er sich zu einem ungewöhnlichen Schritt entschließt.

Gründer geht stiften

Automattic has transferred the WordPress trademark to the WordPress Foundation, the non-profit dedicated to promoting and ensuring access to WordPress and related open source projects in perpetuity. This means that the most central piece of WordPress’s identity, its name, is now fully independent from any company.
This is a really big deal.

Matt Mullenweg, 9. September 2010, 15:11

In der Tat, ein big deal ist es allerdings, wenn ein junges Unternehmen einen seiner heissesten Vermögenswerte dauerhaft an eine gemeinnützige Stiftung verschenkt! Ab diesem Zeitpunkt herrscht erst einmal Sicherheit um WordPress und seine Geschicke, denn die Marke kann der Community jetzt nicht mehr einfach unter der Nase weg gekauft werden.

Das ist ein wichtiger Fortschritt.  Allerdings beginnt die neu gegründete Foundation zunehmend Einfluss auf die von lokalen Communities veranstalteten WordCamps zu nehmen. (Der Begriff WordCamp ist am 30.12.2009 zur Markenregistrierung angemeldet worden; aus verfahrenstechnischen Gründen erfolgt die eigentliche Registrierung der Marke erst am 16. August 2011. Die Foundation kann während dieses Zeitraums bereits davon ausgehen, dass WordCamp in Kürze ein geschützter Begriff sein wird, macht dies jedoch vorerst nicht transparent.)

So ergeben sich in der Community neue Fragen:

  • Wer oder was ist diese Foundation eigentlich genau?
  • Wer sind die Leute, die da arbeiten? Wo kommen die her, wie kommen sie zu ihrem Job?
  • Wenn Automattic die Foundation nicht kontrolliert, wer tut es dann?

Die WordPress Foundation

WordPress Foundation

Interessanter Weise findet sich auf den Webseiten der WordPress Foundation nicht der geringste Hinweis zu irgendwelchen Personalien. Warum? Die simple Antwort gibt der Gründer selbst in einem Kommentar zum Beitrag Leaders and the greater good von Franz Josef Kaiser:

From an ultimate decision-making point of view, the Foundation is mainly just me. […]
It’s worth noting that the Foundation was created purely to be a trademark and IP holding entity that Automattic could transfer its ownership of the WordPress trademark to. There are no “members”.

Matt Mullenweg, 30. Januar 2013, 22:57

In selbigem Kommentar stellt Matt weiter klar, wer außer ihm selbst die Belange der Foundation regelt: ein paar Anwälte für die rechtlichen Fragen, sowie einige Freiwillige – Angestellte gebe es nicht:

[…] Day-to-day on the trademark protection front there are a number of lawyers involved, on the backstopping-WordCamps front Andrea […], and Jen has helped out from the beginning […].
The Foundation has no employees and no one draws a salary, everyone is a volunteer, except for the professional services (legal and accounting). […]

Die beiden genannten Damen, Andrea (Middleton) und Jen (Mylo aka Jane Wells), finden wir auf den Seiten von WordCamp Central wieder – dem Portal, das sich um WordCamps weltweit kümmert und die Guidelines für WordCamp Organizers pflegt – und im Team von Automattic.

Zusammenfassung

  • Die WordPress Foundation ist de facto Matt Mullenweg allein.
  • Die Aufgaben der WordPress Foundation bestehen darin,
  • Die (freiwilligen) Mitarbeiterinnen der WordPress Foundation sind Angestellte der Firma Automattic.

Wie auch immer diese Konstellation zustande gekommen sein mag, sie birgt ein nicht unpikantes Potential. Wenn eine gemeinnützige Stiftung sich das Ziel „Demokratisierung durch Open-Source-Software“ auf die Fahne schreibt und ihre Mitarbeiter gleichzeitig auf der Gehaltsliste des Unternehmens stehen, das ein weltweit nahezu einzigartiges Interesse am Geschick eben jener Software haben muss, dann kann das sowohl sehr gut, als auch sehr unschön ausgehen.

In jedem Fall wird es problematisch, wenn die WordPress Foundation aus dem Schatten heraus agiert anstatt offensiv den konkreten, offenen und transparenten Dialog mit der Community zu suchen – und zwar auch mit der Community außerhalb Amerikas!

Glücklicherweise scheint ein solcher Dialog langsam in Gang zu kommen. Für die WordPress Foundation wird er lebenswichtig sein.

Im nächsten Beitrag: WordCamps.

Was ist ein WordCamp, und wann ist es ein WordCamp? Wer veranstaltet WordCamps? Wie geht es bei einem WordCamp zu?

3 reactions on “WordPress-Geschichten: Foundation

  1. Kaiser sagt:

    Caspar, wenn Du so weiter machst, wirst Du noch offizieller Geschichtsschreiber von WordPress. Sehr gut, dicht und detailiert zusammengefasst. Knappes, sehr treffendes Résumé. Bitte weiter so. (Und Danke für die Erwähnung.)

    1. Nett von dir (rotwerd), danke schön! „Offizielle“ WordPress-Chronistin ist übrigens die von mir sehr geschätzte Siobhan McKeown geworden, die seit Neuestem für Audrey Capital arbeitet: http://siobhanmckeown.com/new-chapter/
      (EDIT: Huch, sehe gerade, du hast dort kommentiert, dann weisst du’s ja.)

  2. Andreas sagt:

    Sehr interessanter Artikel. Da ich 2005 ein Blogsystem gesucht habe, bin ich bei WP gelandet und war während meiner eigenen Anpassungen des Code viel im WordPress / WPMU Support Forum unterwegs. Anfang 2006 war es glaub ich, als die Domain wordpress.com, welche im Besitz eines etwas merkwürdigen Zeitgenossen war, dann von selbigem für Non Profit Zwecke gespendet wurde, nachdem es zuvor heftige Diskussionen um den Erwerb der Domain gab.
    Danach ist es aus einer Kooperation der WP und WPMU Leute heraus zu wordpress.com als Bloghosting-System gekommen.
    LG

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