Fragen kostet. Bloß: wer zahlt?

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WordPress-Entwickler Scribu nimmt Stellung zu den Support-Anfragen von Freelancern, die selbst WordPress-Dienstleistungen anbieten und ihn um die Umsetzung eines individuellen Features bitten, das sie selbst für ihre Kunden benötigen. Die Haltung hinter solchen Anfragen lohnt einen zweiten Blick – gerade wenn man auch weiterhin von freier Software profitieren möchte.

Worum es hier geht

Scribu, eigentlich Silviu-Cristian Burcăist, ist Autor von nicht weniger als 32 Plugins, Lead Developer des Kommandozeilen-Tools WP-CLI und war Guest Committer im 3.1er-Zyklus von WordPress.
Seinen Blog-Beitrag On Plugin Support, auf den sich dieser Artikel bezieht, gibt es bei Google+ in deutscher Übersetzung. Der Beitrag beschäftigt sich mit zwei Themen, von denen im Folgenden aber nur das erste näher beleuchtet werden soll.

Fragen offenbaren eine Haltung – oder das Gegenteil.

Der erste Teil von Scribus Beitrag dreht sich um die Haltung mancher WordPress- und Plugin-Nutzer/innen, die mit WordPress-Dienstleistungen ihr Geld verdienen, aber offenbar dennoch (obwohl sie es eigentlich besser wissen müssten) quasi ihre eigene Dienstleistung von einem Entwickler wie Scribu gratis abgreifen wollen, indem sie Support-Anfragen für die Umsetzung sehr spezifischer Features stellen – wohlgemerkt: Features, die sie selbst ihren Kunden in Rechnung stellen.

Da sie selbst nicht in der Lage sind, das Gewünschte zu produzieren, wenden sie sich an den Entwickler, getreu dem Motto „Fragen kostet nichts“. 

Tut es aber doch.

Fragen des beschriebenen Typs sind ja nicht einfach nur Support-Fragen. Sie offenbaren eine Spieler-Haltung – „Sagt er ja? Hab‘ ich Glück?“ – und damit eine Haltung der Ignoranz gegenüber dem Wert der Leistungen Dritter, in diesem Fall: des Entwicklers.

Der hat eine Menge Zeit und Energie in die Ausbildung seiner Kompetenz und die Herstellung seines freien Plugins gesteckt. Und jetzt kommen Leute daher, sagen vielleicht gerade mal danke (nicht, dass sich die Mehrzahl zu einer kleinen, freiwilligen Spende oder gar zu einer Anfrage nach einer Umsetzung als kommerzielle Dienstleistung herablassen würde!) und fragen im selben Atemzug, ob der Entwickler nicht mal eben gratis ein bestimmtes Feature umsetzen mag – nicht eins, von dem alle was hätten, sondern ein sehr spezifisches, das ein Endkunde der/des Fragenden benötigt.

Gegeben, nicht verschenkt!

Die Botschaft der Anfrage dürfte also ungefähr so rüber kommen:

Lieber Entwickler,
du hast mir und allen anderen dieses tolle Plugin geschenkt, aber das genügt mir nicht.
Bitte schenke mir auch noch Feature XY, das selbst herzustellen ich zwar nicht fähig bin, für das ich meinem Kunden aber eine fette Rechnung stelle.
Da du dein Können ja sowieso schon verschenkst, gehe ich davon aus, dass du an einer Gegenleistung von mir nicht interessiert bist. Daher frage ich dich auch gar nicht erst, ob ich dich für die Umsetzung meines speziellen Features vielleicht bezahlen dürfte.

Als ob jemand, der/die viel Arbeit in ein Produkt gesteckt hat, das er/sie dann kostenlos zur Verfügung stellt, kein Wertbewusstsein für die eigene Leistung hätte und diese Leistung einfach auf Anfrage verschenken würde!

Das Gegenteil ist doch der Fall: Wer 100 Stunden in die Enwicklung eines freien Plugins gesteckt hat, weiß jede einzelne davon teuer zu schätzen! Der einzige Grund, warum er kein Geld für sein Produkt verlangt, ist der, dass er weiß: er hat schon etwas bekommen. Nämlich die Software selbst, in unserem Fall WordPress. Deswegen hören wir Entwickler davon sprechen, dass sie „etwas zurück geben“ wollen: Sie sind sich bewusst, dass sie die Gegenleistung bereits erhalten haben.

Doch, es geht dich was an.

Tritt so eine ignorante Haltung wie in dem fiktiven Zitat oben vereinzelt auf, z.B. bei WordPress-Anfängern, die sich zum ersten Mal in ein Forum verirren, ist das natürlich kein Grund zur Sorge.

Sorgen machen muss man sich aber, wenn Ignoranz professionalisiert wird, sozusagen als integraler Bestandteil eines Geschäftsmodells, das ansonsten aus einem Preisplan fürs Zusammenklicken frei verfügbarer Software besteht, für deren Herstellung jemand anderer einen Teil seiner Lebenszeit aufgewendet hat. Wenn da mittelfristig nicht irgendwo der Gedanke ans Zurück-Geben einrastet, gibt’s ein Problem für die ganze Community, also für alle, das heißt für jede/n, auch für dich.

Eine Open-Source-Gemeinschaft (und ihre Software!!) steht und fällt mit dem freiwilligen Geben einer Leistung durch den/die Einzelne/n an die Gruppe. Und es gibt keinerlei Vorschriften dazu, was genau gegeben wird:

Ernsthaft Schaden nehmen kann eine Community dann, wenn sie es nicht (mehr) schafft, ihre eigenen fundamentalen Prinzipien zu vermitteln. An dieser Stelle beginnen Leute, die zuvor für die Gemeinschaft besonders aktiv waren (und die immer in der Minderzahl sind), sich zurück zu ziehen. Dabei verlieren dann schließlich alle – und als erstes diejenigen, die ein Geschäftsmodell auf der Gratis-Leistung jener wenigen Aktiven aufgebaut haben.

Feedback?

Wie immer, wenn es ein Problem gibt, gibt es auch Lösungen, und die beginnen meistens mit einem Dialog. Also los!

Hast du selbst Erfahrungen mit Support-Anfragen gemacht, bei denen es um die Umsetzung konkreter Features ging? Oder hast du selbst schon einmal solche Anfragen gestellt? Wie würdest/hast du dich in der einen oder der anderen Position verhalten?

14 reactions on “Fragen kostet. Bloß: wer zahlt?

  1. Kaiser sagt:

    Sorgen machen muss man sich aber, wenn Ignoranz professionalisiert wird

    Ziemlich gut auf den Punkt gebracht.

    1. Danke sehr – auch wenn’s ein nicht so schöner Punkt ist.

  2. Jörn sagt:

    Das scheint mir eine generelle Haltung heutiger Tage zu sein. Man erlebt das ja nicht nur als Entwickler, sondern auch als (z. B.) Musiker oder Fotograf in ähnlicher Form.

    1. Stimme dir zu, allerdings bringt der Kontext einer Open-Source-Umgebung im Gegensatz zur freien Wirtschaft ein paar Besonderheiten mit sich.

  3. Immer noch scheint in den Köpfen rumzuspuken:
    Im Internet gibt es alles kostenlos, aber oft gerade bei denen, die dann im Internet die Chance wittern Geld zu verdienen.

    Dass Antworten selbst von einem versierten Profi auf Fragen ZEIT kostet, scheint diesen Fragern nicht klar zu sein. Wenn sie glauben Zeit steht kostenlos zur Verfügung, dann können sie sich die Zeit nehmen und die Antworten zu ihren Fragen recherchieren.

    Denn dem Profi ist sein Wissen auch nicht plötzlich und ohne zeitintensive Recherche zugefallen.

    Zum Glück wehren sich immer mehr Kreative (auch aus anderen Bereichen) gegen diese dreiste Art der Leistung anderer auf dem billigsten Wege zu bedienen.

  4. Torsten sagt:

    Ich mache seit 6 Jahren Foren-Support bei den „Blogger-Einsteigern“ bei WordPress.com. Letztens hat mich jemand angemailt, warum ich ihm denn „verdammt noch mal“ nicht helfe, wobei er nicht mal ins Forum geschrieben hat … Auf meine nette Rückfrage, hat er sich dann ausgelassen, wie ätzend Foren-Antworten allgemein sind, weil wir „Profis“ immer so viele Fachwörter benutzen, so dass er nichts versteht.
    Es gibt halt immer solche Leute.

    Mit Entwicklern, die (auch) kostenlose Produkte anbieten habe ich übrigens generell bessere Erfahrungen gemacht. Die Produkte sind besser dokumentiert und fehlerfreier. Insofern sind diese Freemium-Modelle wohl wirklich sinnvoll. Basisversion ist kostenlos, Premium-Version kostet dann. Die Basis-Version erhält Community-Support, die Pro-Version erhält Pro-Support. Sind solche Modelle im offiziellen Repository eigentlich noch erwünscht/erlaubt? Es gab da doch mal die Ansage, dass Werbung/Donate-Buttons etc. nicht erwünscht seien …

    1. Doch, ins Repository darf wohl auch Freemium, solange das Plugin GPL ist und der Download selbst eben kostenfrei. Wobei ich mich manchmal frage, was die Anbieter sich denn wirklich davon versprechen. Support doesn’t scale, habe ich neulich irgendwo gelesen …

      Mit Entwicklern, die (auch) kostenlose Produkte anbieten habe ich übrigens generell bessere Erfahrungen gemacht. Die Produkte sind besser dokumentiert und fehlerfreier.

      Ist das nicht absolut erstaunlich?

      1. Torsten sagt:

        Eigentlich nicht. Wenn meinen Code nur Nutzer sehen, die keine Ahnung haben, dann muss er nicht kommentiert/fehlerfrei sein, nur laufen. (überspitzt formuliert)
        Wenn ich ihn der Community zeige, dann schauen andere Entwickler drauf – da möchte man nicht zum Gespött werden …

  5. Hi um deine Frage zu beantworten, ich wurde noch nicht gefragt und habe selber noch nie! so eine Anfrage gestellt, weil ich das schlichtweg Asozial finde, jeder von uns möchte schliesslich für seine Leistung gezahlt werden

    Genau aus diesem Grund habe ich auch nur eine Ausbildung zum Tierheilpraktiker gemacht, praktiziere allerdings nicht

    da ich die Schnauze voll gehabt habe die kostenlose Tierärztin zu spielen, wenn man ablehnt bekommt man ein vorwurfsvollen Blick und „Ich habe gedacht du bist Tierlieb“ noch oben drauf, schönen dank auch…

    Als Künstlerin habe ich es da wesentlich einfacher kein Geld=kein Bild

  6. Frank sagt:

    Dieser Artikel trifft es genau, dem kann man nur wenig hinzufügen.

    Aber ich erlebe diese Haltung jeden Tag, so gut wie ohne Ausnahme und nur selten ist diese Anfrage der Unwissenheit geschuldet. Ich für meinen Teil lebe damit, da ich Optimist bin. Ignoranz der Anfrage gegenüber stellt mich nicht zufrieden.
    Schlussendlich wird aber die freie Arbeit weniger; der Support und die zum Teil hohe Erwartungshaltung der Nutzer ist nicht händelbar. Klar kann man Produkte bauen, die kaum Support brauchen – richtig drumher kommt mant nicht, je nach Komplexität. Klar bin ich auch selber schuld, da die Menge recht hoch ist. Aber diese ist so, da ich die freien Sachen zurück geben wollte oder selbst davon profitiere, wenn ich das Plugin bspw. aus dem Backend von WP installieren kann. Schlussendlich überlege ich bspw. aber Lösungen, die einen kostenpflichtigen Support vorsehen, wenn auch das Produkt ggf. frei ist und die Community sich selbst helfen kann.

    1. Hallo Frank, danke für den Kommentar, ich freu’ mich, dass du vorbei schaust! 🙂

      Mit deinem Beitrag bringst du mich glatt auf die Idee für einen weiteren Artikel, weil ich mich frage, wo genau das Dilemma eigentlich beginnt, und weil glaube, wenigstens den Anfang einer Antwort zu ahnen.

      Vor der Anfrage des Anwenders, der sich eine Individualisierung eines bestehenden Plugins wünscht, steht ja zwingend die Annahme, dass das Plugin so, wie es ist, für die eigene Zielsetzung nicht taugt.

      An dieser Stelle habe ich persönlich schon öfter die Erfahrung gemacht, dass es lohnenswert sein kann, die eigenen Vorstellungen noch einmal in Frage zu stellen, sozusagen einen gedachten Schritt rückwärts zu treten und sich zu fragen: Wie könnte eine Lösung mit den tatsächlich gegenwärtig vorhandenen Mitteln (Features) denn aussehen? Wo müsste ich in meinem Konzept eine gewünschte Funktionalität streichen, damit ich jetzt weiterkomme – mit dem, was gerade da ist.

      Das Ulkige ist: Dabei kommt gar nicht selten eine deutlich bessere Lösung heraus.

      1. Frank sagt:

        Ja, dass ist einer der Gründe. Aber die Anfragen kommen nicht nur aus der Ecke Produkt, sondern auch, weil man bekannt ist und man kann ja mal fragen. Dies ist im Grunde auch ok, wenn es aus der reinen Anfrage heraus kommt. Aber ich verspüre oft, dass der Bedarf vom Kunden zu kommen scheint und da frage ich mal schnell einen, der sich vermutlich auskennt. Im Grunde entsteht Aufwand, den man im Normalfall verrechnen würde. Bei div. Kunden klappt das gut; da sammel ich diese Anfragen, bis ich eine Menge habe, die im Umfang einer Verrechnung entspricht. Aber andere fragen anders und meinen immer, dass dauert für einen Profi nur eine kurze Zeit. Aber der Aufwand beim Aneignen ist dabei vernachlässig tund die Störung im Alltag; insbesondere wenn dies per Telefon passiert.

        Insofern ist es also nicht nur die Anfrage, die aus einer fehlenden Information, Lösung im Plugin resultiert.

  7. Joachim sagt:

    Hallo Caspar,
    prima Artikel und es trifft die Geiz-ist-Geil Mentalität auf den Kopf. Ich sehe täglich in fragende Gesichter, wenn ich meine Arbeit für die Erstellung einer Webseite oder SEO-Arbeiten anbiete und dann noch erklären darf.
    „Was, das kostet mehr wie 500€?, damit habe ich nicht gerechnet“. Wir sprechen dabei über eine simple Webseite ohne Schnickschnack und Basicarbeiten bei der Suchmaschinenoptimierung.
    dies steht natürlich in keinster Weise mit der Entwicklungszeit eines Plugins. Ich halte die Entwickllung für schwer bedenklich.

    viele Grüße aus dem Süden
    Joachim

    1. Carsten Dohmann sagt:

      Hallo Joachim,
      ich stimme Dir voll und ganz zu. Ich gebe Support im Forum im internen Bereich unseres Online-Video-Kurses [Moderation: werblicher Hinweis entfernt. Kommentare bitte zur Diskussion nutzen, nicht zur Bewerbung eigener Angebote.].
      Wir bieten dort die Grundlagen als Video Kurs zu dem [Moderation: s.o.] Theme an für einen mehr als fairen Preis. Das man mal die eine oder andere Frage, die über die Grundlagen hinaus geht beantwortet, gehört zum guten Ton, allerdings gibt man den kleinen Finger, wird gleich der ganze Arm ausgerissen und das als Selbstverständlich hingenommen. Wenn man dann ein kostenpflichtiges Einzelcoachings anbietet, erlebe ich teilweise genau die Reaktion, die Du oben beschreibst. Da fragt man sich manchmal wirklich, ob die Kunden meinen wir schütteln uns jede Lösung in Null Komma Nix aus dem Ärmel 🙁
      Gott sei dank gibt es aber auch die Ausnahmen, die einen motivieren weiterzumachen und wo Leistung sich auch bezahlt macht 🙂
      Beste Grüße
      Carsten

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