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Wer bestimmt mit welchem Recht, wo’s hingeht mit dem Open-Source-Projekt WordPress? Wer trifft die Entscheidungen für eine Freie Software, die 25% des Internet steuert? Wer kontrolliert die Entscheider_innen? Ein Erklärungsversuch mit offenem Ende.
Seit ich mich in der WordPress-Community bewege, sehe und höre ich – lokal genauso wie global – in regelmäßigen Abständen immer wieder die gleichen drei Fragen in Bezug auf das Open-Source-Projekt:
- Wer trifft Entscheidungen?
- … ein BDFL?
- … ein bestimmtes Gremium?
- … einzelne Entwickler_innen?
- … die WordPress Foundation?
- … die Geschäftsleitung von Automattic?
- Wie werden Entscheidungen getroffen?
- … hinter verschlossenen Türen?
- … in der Öffentlichkeit?
- … mit welcher Maßgabe? (z.B. Mehrheitsentscheid?)
- … in welchem Verfahren? (z.B. Abstimmung?)
- Warum werden bestimmte Entscheidungen getroffen?
- … auf der Basis bestimmter Kriterien?
- … sind die öffentlich einsehbar?
- … wessen Interessen werden berücksichtigt?
Lead Developers und Community Leads
Die generelle Projektorganisation von WordPress ist mittlerweile auf Englisch ganz gut dokumentiert und lässt sich im Core Handbook nachlesen.
Demzufolge wird die WordPress-Community grundsätzlich über zwei Instanzen geleitet: interne Leitende und erfahrene Freiwillige aus der Community. In vielen Bereichen des Projekts gelten die Community Leads dabei als treibende Kräfte.
Die Entwicklung des WordPress Core, also der Kernsoftware, wird von einem Team um WordPress-Mitgründer Matt Mullenweg organisiert. Dieses Team setzt sich wie folgt zusammen:
- Matt Mullenweg (leitender Entwickler und BDFL)
- 5 Lead Developers
- zur Zeit 8-12 Core Developers mit permanenten Commit-Rechten
Finale Entscheidungsbefugnis bei technischen Fragen haben Matt Mullenweg und die fünf Lead Developers. Sie moderieren Diskussionen zur Architektur und steuern die Umsetzung von Entscheidungen in tatsächlichen Code. Andere Mitwirkende, wie Guest Committers, oder Core Contributors können sich an Diskussionen beteiligen, ohne direkte Entscheidungsbefugnis zu haben.
Die diversen Teams für andere Bereiche als Core-Entwicklung (etwa für Übersetzung, Foren, Themes, Plugins etc.) werden größtenteils von erfahrenen Freiwilligen geleitet.
Was die Leads jener Teams wie und warum entscheiden, ergibt sich größtenteils aus gesundem Menschenverstand, erworbener Anerkennung und Vertrauen. Keine Community Lead würde jemals unilateral eine Entscheidung treffen wollen, ohne zuvor ihr Team in die Entscheidungsfindung miteinzubeziehen.
Vertrauen und Transparenz
Wer heute wissen möchte, wann im globalen Open-Source-Projekt WordPress welche Entscheidungen für WordPress wo fixiert werden – geschweige denn von wem und basierend auf welchen Kriterien oder Ideen – muss mehr oder weniger rund um die Uhr (Stichwort: Zeitzonen) in einem guten Dutzend Slack-Kanälen und Make-Blogs mitlesen.
Das ist eine Tatsache. Aber muss es deswegen auch ein Problem sein?
Meritokratisch strukturierte Organisationen bauen, allem Anderen voran, auf dieser Grundidee auf:
Menschen verdienen sich, durch ihren persönlichen Einsatz für ein überpersönliches Ziel, das Vertrauen anderer Menschen und Entscheidungsbefugnisse für die gemeinsame Unternehmung.
Der Ruf nach Transparenz erschallt in der Regel immer dann, wenn Dinge unklar sind und Vertrauen erschüttert wurde, oder ganz fehlt. Und da liegt der Hase im Pfeffer:
In einem Open-Source-Projekt sind immer irgendwelche Dinge unklar; und je größer das Projekt, desto mehr wird Vertrauen zu einer Frage der ganz persönlichen Entscheidung aller Beteiligten.
WordPress ist als Projekt so groß geworden, dass diejenigen, die an seiner Peripherie stehen, von ihrem Standpunkt aus nicht mehr automatisch plausibel nachvollziehen können, womit sich die Menschen in den inneren Zirkeln wessen Vertrauen verdient haben, das sie wiederum dazu ermächtigt, Entscheidungen für das ganze Projekt zu treffen und zu implementieren.
Wer sich nicht in die inneren Zirkel vorgearbeitet hat (ein Weg, der allerdings von Projektseite aus nach wie vor allen offen steht), kann bestenfalls glauben, dass die Leute mit Verantwortung jene aufgrund früherer Verdienste erhalten haben – und sich auf dieser Basis für Vertrauen entscheiden. Oder eben nicht.