Ein Tag REST

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Die WordPress REST API ist in aller Munde, zumindest bei der codenden Zunft im WordPress-Universum. Am 28. Januar findet in London explizit zu diesem Thema eine Konferenz statt: A DAY OF REST. Dieser Beitrag flippt um ein paar Gedanken zu JavaScript, der WP API und Webentwicklung allgemein herum.

Zu der Zeit, als meine Wenigkeit die ersten Zeilen HTML (4.x) und CSS (2.x) schrieb, genoss JavaScript einen ähnlichen Ruf wie Black-Hat-SEO. Leute, die damit umgehen konnten, hexten dir rückwärts im Schlaf den Knopf aus der Hose. Schwarzmagier eben –irgendwie faszinierend, aber auch zum Fürchten und, naja, halt total igitt-igitt.

Dreizehn Jahre später hat sich die Situation ins Gegenteil verkehrt.

JavaScript ist überall und nicht selten nur noch.
Leute, die halb so alt sind wie ich, aber im Verhältnis zu ihrer Zahl an Jahren bereits dreimal so lange Code schreiben, hantieren mit der Frontend-Fräse, als gäbe es keine Welt und kein Morgen. Aber nicht nur „junge Wilde“, auch betagtere Semester kommen heute selten ohne npm und task runner aus, wo sie neulich noch fünfstellige Projektvolumen allein mit einem gepimpten Text-Editor und einem freien Browser stemmten.

„Früher!!! War Alles!!! Besser!!!“
Jawoll, das is’ Scheisse!!! Nichts war früher besser!!! Das stimmt nicht, das is’ ein Quadrat-Unsinn, nichts war früher besser.
Früher war vieles früher, das ist richtig.

Jochen Malmsheimer, Das Wurstbrot

Neue Trends (Techniken, Tools, Frameworks …) zu benasrümpfen, bloß weil sie neu sind und man selbst nicht mehr, zeugt natürlich von mindestens so viel Blödheit, wie sich unter dringendem Benutzungszugzwang zu fühlen, bloß weil die halbe Twitter-Timeline die ganze Zeit Gulp-Rezepte teilt. Und außerdem sind sie ja schon längst nicht mehr neu.

Doch ich gebe zu: Das mit dem Zugzwangskomplex war ich, bis vor ein paar Tagen noch. Ich hatte den festen Vorsatz, den ganzen built-Zirkus „jetzt endlich mal“ in der Praxis einzusetzen … die mir allerdings einfach mal völlig fehlt. Also, der Anwendungsfall. Ich arbeite im Kunden-Support für ein beliebtes WordPress-Plugin; die Leute, die da aufschlagen, stellen ganz, ganz andere Fragen.

Deswegen habe ich mein Vorhaben vorerst in den Wind geschrieben.

Obwohl die Zeiger der Zeit im Augenblick alle voll auf JavaScript, build tools, REST APIs und was noch alles zeigen, und obwohl nicht erwähnt werden muss, dass JavaScript gekommen ist, um zu bleiben, und obwohl npm, Gulp, Grunt, Bower, Yeoman und wie sie alle heissen für jeweils ganz spezifische Aufgaben ganz super Effizienz in die Entwicklungsumgebung bringen können, nehme ich persönlich mir die Freiheit, puristisch zu bleiben.
Browser, Editor, Ende im Gelände. Weil ich’s kann, und weil es mir nach wie vor völlig genügt.

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Sowas geht mit der WP API.

Und die WordPress REST API? Und der DAY OF REST?

Wenn ich mir was wünschen dürfte, wünschte ich mir, Maciej Cegłowski spräche dort die Keynote, und zwar über Fettsucht und unsere verdammte Ignoranz gegenüber weltweiter Bandbreite.

Wenn ich mir noch was wünschen dürfte, wünschte ich mir, Joe hielte einen zum Bersten gut besuchten Vortrag über Progressive Enhancement und darüber, warum REST-React-erprobte Entwickler wie er selbst ab sofort den Facebooks, Netflixes und WordPress.coms beibringen, dass JavaScript nicht das Fundament, sondern das Dach einer Web-Applikation zu sein hat.

Ich wünschte mir, „learn JavaScript, deeply“ würde von Herrn M. persönlich umgemünzt in irgendwas Adäquates mit „Accessibility“ als mindestens gleichberechtigtes Substantiv, und dass die fleissige Verwendung von Elementeigenschaften, die niemand sieht, aber die allen nützen (besonders denen, die gar nichts sehen, aber auch den anderen) als „sexy“ gälten.

Und zuletzt wünschte ich mir, dass sich Entwickler_innen, bevor sie sich im Post-Calypso-Hype auf JavaScript und die WP API stürzen, über den Gehalt möglichen Sinns und Unsinns ihres Schaffens klar werden. Webentwicklung dreht sich um Menschen, nicht um Zahlen.

JavaScript und die REST API können, in den richtigen Händen, wundervolle Werkzeuge sein, um Frontends zu kreieren, die richtig, richtig Spaß machen. Ich wünsche allen Teilnehmenden, dass ihnen der DAY OF REST, zusätzlich zu allem Spaß, einen weiten Blick über den eigenen Tellerrand bescheren möge.

2 reactions on “Ein Tag REST

  1. Kai sagt:

    Ich frage mich schon länger: Wo und wie verdienen all diese Menschen ihren Lebensunterhalt während sie augenscheinlich genug Zeit haben immer „on the edge“ zu sein. Welche Kunden haben die? Haben die überhaupt welche? Wie machen die das? (bei allem Respekt, ich lerne ja von denen).
    Das frage ich mich aber auch nicht ausschließlich, wenn es um den ganze fancy stuff geht, auch bei A11y und progressive Enhancement. So sehr ich das inhaltlich alles richtig finde; Bin ich der einzige Trottel der es nicht hinbekommen hat, seine Fähigkeiten, seine Effizienz, seine Ideale und die (externe) Vorstellung von Idealen mit der Realität /“Marktsituation“ abzugleichen?

    Mir geht es wie Dir. Immernoch ( mit 34 ) lernwillig, neugierig und alles. Versuchte ich vor einigen Tagen mit React,Babel,ES6, Webpack ins Gespräch zu kommen – hat ja mit Angular/Browserify/Node/Bullshit auch schon geklappt. Ich suchte „Starter Kits“ und fand diese Liste . Probiert die ersten fünf aus, funktionierte alles nicht, weil irgendein kryptischer NPM Fehler/Dependencyquatsch mir in die Quere kam. Irgendwelche Versionen passten nicht…also schaute ich zu meiner Frau und sagte: „Ich werde alt oder bin es schon. Ich kann nicht mehr (für den Abend)“ und holte die Flasche Wein.
    Ich werde es wieder versuchen, das gehört zum Job, aber das kurzfristige scheitern belastet mich nicht mehr so wie früher.

    Vielleicht klingt es so, aber geht ja nicht (nur) um mich. Ich beobachte im Umgang mit Gleichgesinnten, oft auch jüngeren Kollegen, wie groß die Kluft zwischen Realität und Filterblase ist. Da sitzen mir talentierte, neugierige junge Leute gegenüber, die so damit beschäftigt sind, den Anschein aufrecht zu erhalten alles im Griff zu haben, in der Peergroup ganz vorne dabei zu sein…hintenrum aber auch völlig überfordert sind. Vorne kopiert der Kunde wieder Sachen aus Word, hinten schmeißt npm ein unverständliche Stacktrace raus, der Chef/Kunde will Ergebnisse. Auf Twitter sind alle auf der geilen Konferenz, bauen scheinbar nebenher in geilen, lässigen Teams SPAs deren Build-Prozess in Docker/Vagrant ausgelagert ist (!), und haben nur Spaß. Auf der anderen Seite aber bitte ARIA komplett im Kopf haben und alles schön progressive enhanced…

    Ich wüsste nicht wie ich mich als Einsteiger nur halbwegs orientieren sollte in diesem Dilemma.
    Mit bleibt da oft nur „Entspann dich, Du *darfst* Dinge auch nicht wissen und können, das ist in Ordnung“

    Mein „Day of Rest“ wäre da eher eine Veranstaltung mit „Trotteln“ wie mir, wo man mal ganz in Ruhe abfeiert, dass man nicht mehr hinterherkommt, und das Leben doch andere, wichtige Sachen, bereithält…was ich auch viel zu spät gelernt habe, weil der andere Quatsch immer wichtiger erschien.

    1. Frank sagt:

      Oh liebe diesen Kommentar, so schön ehrlich und unterhaltsam. ♥

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