Note: Content might be outdated!
Mannheim, 5:21 Uhr. Etwa drei Stunden Schlaf hinter und eine genauso lange ICE-Fahrt nach Paris vor mir. Rot-weiße Luftballon-Deko an der Decke einer Bahnhofsbäckerei. Was mache ich hier eigentlich? Klar, über WordPress-Plugin-Support in einem internationalen Team bloggen.
Es ist das dritte WordCamp Paris in Folge für mich. Kein anderes WordCamp habe ich so konsistent besucht. Nachdem ich 2014 und 2015 mit Inpsyde dabei sein durfte (die Firma als Sponsor, meine Wenigkeit als Sprecher), komme ich in diesem Jahr auf Einladung meines französischen Auftraggebers WP Media vorbei. Fühlt sich ein wenig wie Nachhausekommen an.
Und das ist es dann wohl, was ich hier in aller Herrgottsfrühe in Mannheim in einem Backshop mit Pommes-Schranke-Luftballons an der Kacheldecke mache: Ich reite das Wurmloch zwischen zwei Lebensmittelpunkten.
Wie ist das, ›remote‹ für eine Firma in einem anderen Land zu arbeiten?
Zwanglos, im wörtlichen Sinn.
Mein Tag beginnt meist gegen 7:00 Uhr. Ich mag es, früh auf den Beinen zu sein, obwohl mich nichts und niemand zwingt, zu einer bestimmten Zeit ›auf Arbeit‹ zu erscheinen.
Gegen 8:00 Uhr sitze ich mit einer Tasse Kaffee am MacBook. Angezogen und gewaschen, doch, doch. 🙂 Bevor ich zum ›Dienst‹ einchecke, nehme ich mir eine halbe Stunde Zeit, um ein paar Artikel zu lesen und bei Twitter Hallo zu sagen.
Um 8:30 Uhr fange ich richtig an. Wobei – da geht’s schon los. Das Lesen während der 30 Minuten zuvor, ist das Arbeit, oder nicht? Ich lese fast ausschließlich Fachzeugs (nie konventionelle ›Nachrichten‹); allgemeinen Web-Dev-Kram, WordPress-spezifische Neuigkeiten, Make-Blogs, Post Status, WP Tavern, den WP Letter, den WordPress-Wochenrückblick von Florian, und so weiter. Das gehört in unserem Beruf einfach dazu. Muss das nicht ganz klar auch zur Arbeitszeit hinzu gerechnet werden?
Glücklicherweise brauche ich diese Frage nicht final im Sinne einer Rechnungsposition zu entscheiden. Bei WP Media gibt es, wie bei manch anderen Web-Start-ups mit ›distributed teams‹, keine Zeiterfassung.
Nach einem fröhlichen Good morning! ☕️ im Slack, stürze ich mich kopfüber in die Flut der Support-Tickets. Naja, in die Pfütze eher; schlimmstenfalls in den Teich. Meist herrscht Stehtiefe in der Inbox. Allerdings gibt es verschiedene Support-Channels (Tickets und diverse Live-Chats). Alles in Allem läppert sich schon was zusammen; trotzdem ist das Arbeitsklima sehr entspannt. Wir helfen Menschen, Schwierigkeiten zu lösen und wieder froh zu sein – gibt’s was Schöneres?
Zeitzonen spielen durchaus eine Rolle für unser Team. Noch kriegen wir alle Supporter_innen in einem Meeting zusammen – zum Feierabend für die einen, zum Frühstück für die anderen. Eine Herausforderung besteht für mich darin, pünktlich Feierabend zu machen, wenn die Kolleg_innen aus Übersee gerade online kommen. Man verchattet sich halt gerne mal, wenn man sich schon nicht sieht … 😉
Support für ein weltweit beliebtes Plugin
Das Flagship-Produkt von WP Media, WP Rocket, cacht WordPress-Seiten. Meist gehen sie danach ab wie Zäpfchen, und bis jetzt habe ich viel Gutes über unsere Rakete gelesen. Selbst im Support, wo wir es ja gewohnt sind, Anwender_innen zu verarzten, bekommen wir jeden Tag begeisterte Kommentare für das Plugin. So macht Support natürlich Spaß.
Neben Lob gibt es natürlich auch Beschwerden im Support. Allermeistens geht es dabei um Kompatibilität – oder um das, was Anwender_innen darunter verstehen. Genau genommen müsste man sagen: die (Nicht-)Anwendbarkeit bestimmter Plugin-Features im Zusammenspiel mit gewissen ›Themes‹. (O ja, die Gänsefüsschen, diese T-Rex-Fußabdruck-großen Gänsefüsschen!!)
Kurz gefasst, manche Themes schreddern ihr eigenes Design, wenn man ihren Output minifiziert. Minification ist eine beliebte Technik im Zusammenhang mit Performance-Optimierung, eine stufenweise anwendbare Option von WP Rocket, und eigentlich ein kompletter No-Brainer. HTML, CSS und JavaScript müssen mit oder ohne Zeilenumbrüche funktionieren, Schluss.
Aber wenn nach dem Anknipsen der Minification das Frontend eben doch wie Fleischsalat aussieht, wer isses dann wohl gewesen? Erraten. Man lernt Geduld im Kundensupport, oder man stirbt früh.
(Ironie beiseite: Es ist natürlich völlig natürlich, wenn Anwender_innen die Ursache eines problematischen Verhaltens intuitiv der zuletzt bedienten Komponente zuordnen. No hard feelings. 🙂 )
Abgesehen von solchen Missverständnissen, die wir behutsam aufzuklären haben, geht es beim 🚀-Support ziemlich schnell ans Eingemachte, sprich: an den Webserver bzw. das Dateisystem.
Wo andere Support-Teams es möglichst vermeiden, auf den Servern oder Shared Webspaces von Kund_innen aktiv zu werden, gehört für uns der Zugriff auf diese Umgebungen zur täglichen Routine. Falls es mal heikel zu werden droht, holen wir uns die Erlaubnis, die Site in eine Staging-Umgebung zu klonen, was wir dann zügig mithilfe von WP Stage Coach erledigen.
Die Reaktionen unserer Kund_innen geben uns Recht mit diesem Vorgehen. Den meisten ist es reichlich schnuppe, ob sie uns einen Admin-Zugang anvertrauen, wenn bloß ihr Problem schnell gefixt wird.
Freelancer mit fester Gage = Scheinselbständigkeit?
WP Media sind meine wichtigsten, aber nicht meine einzigen Kunden. Dank eines monatlich fest gebuchten Stundenkontingents, muss ich mir keine Sorge um Kontinuität machen und kann mir aussuchen, welche Projekte ich sonst noch annehme. Allzu viele sind es nicht, aber genug, um den Verdacht der Scheinselbständigkeit zu entkräften.
Fragen?
Arbeitest du selbst von zu Hause aus? Oder würdest du es gerne? Oder hast du und findest es fürchterlich? Hast du Fragen oder Gedanken zu bestimmten Aspekten einer ›Remote‹-Tätigkeit? Schiess los!
Hey Caspar,
ich arbeite nun seit inzwischen mehr als vier Jahren remote. Knapp drei Jahre davon mit mindestens 30 Stunden pro Woche. Und ich erkenne mich (und meinen Tagesablauf) ganz klar in deinem Beitrag wieder. 🙂
Der Verzicht auf Zeiterfassung (natürlich für alles, das nicht stundenweise oder in sonst einer zeitabhängigen Form Kunden in Rechnung gestellt werden muss) wäre aber echt was Feines! Freut mich, dass du damit in Zukunft nichts mehr am Hut hast.
Ich weiß natürlich nicht genau, wie oft und auch wie lange du (aktiv) mit Kolleg(inn)en zusammenarbeitest, aber sind dir schon irgendwelche Besonderheiten bei der Arbeit in einem auf mehrere Zeitzonen verteilten Team aufgefallen, im Vergleich zur dezentralen Arbeit mit einem Team aus nur einer Zeitzone (plus/minus 1 Stunde)? Abgesehen vom Feierabendmachen, also auf die Arbeit an sich bezogen.
Auf die konkrete (Zusammen-)Arbeit an sich bezogen, findet sie mit den Kolleg_innen aus Übersee-Zeitzonen einfach recht wenig statt. Trotzdem besteht natürlich die Notwendigkeit, dass wir uns über aktuelle Entwicklungen im Support austauschen. Das tun wir in den besagten wöchentlichen Meetings (voice) bzw. asynchron im Slack (text). Den Scrollback zu lesen, ist bei uns Pflicht. 😉 Und dementsprechend auch die textliche Dokumentation etwaiger Auffälligkeiten. Wir hinterlassen deshalb öfter mal eine Notiz zu Ticket XYZ für die anderen, um mögliche Parallelen zu anderen Tickets früh erkennen zu können.
Ein wirklich interessanter Beitrag der mir jetzt auch mal verraten hat was du arbeitest 😉
Diesen Arbeitsstile finde ich an sich den besten. Es hat viel mit vertrauen zu tun aber auch mit Leidenschaft und Erfüllung mit der eigenen Arbeit. Nur so ist es möglich sein bestes zu geben und das auch über lange Zeit.
Ich wünsche dir weiterhin viel Spaß bei dem was du tust, genieße es! Arbeit muss nicht immer zwanghaft sein.